Fíriels
Lied Dieses recht
lange Lied findet sich in Band 5 der History of Middle-Earth:
'The Lost Road and other writings' in der Erzählung
"The Lost Road", eine Zeitreise-Geschichte.
Die Geschichte selbst wurde nie von Tolkien fertiggestellt.
Das Schlußmotiv fand sich jedoch später im
Untergang Númenors wieder: Der Untergang von
Atlantis. Tolkien selber hat keinen Titel für das
Lied angegeben. Da es aber in dieser Erzählung
von einer Frau namens Fíriel gesungen wird, hat
sich die Bezeichnung als "Fíriels Lied"
eingebürgert. Es ist ein Klagelied über die
Sterblichkeit der Menschen.
Ilu Ilúvatar
en káre eldain a fírimoin
ar antaróta mannar Valion: númessier.
Toi aina, mána, meldielto – enga morion:
talantie. Melko Mardello lende: márie.
En kárielto eldain Isil, hildin Úr-anar.
Toi írimar. Ilyain antalto annar lestanen
Ilúvatáren, Ilu vanya, fanya, eari,
i.mar, ar ilqa ímen. Írima ye Númenor.
Nan úye sére indo-ninyan símen,
ullume;
ten sí ye tyelma, yéva tyel ar i narquelion,
íre ilqa yéva nótina, hostainiéva,
yallume:
ananta úva táre fárea, ufárea!
Man táre antáva nin Ilúvatar, Ilúvatar
enyáre tari tyel, íre Aanarinya qeluva?
Dieses Lied stammt aus einer Zeit,
als Tolkien das Quenya noch nicht voll entwickelt hatte.
Es ist also mit dem Quenya wie man es z.B. aus "Namárië"
kennt nicht identisch. Dies äußert sich in
der Bennenung der Sprache, zu dieser Zeit noch Qenya,
und einer abweichenden Schreibweise: k statt c, q statt
qu und die fehlende Diarese über dem wortfinalen
e. Außerdem gab es noch Abweichungen in der Namensgebung;
Melko ist hier kein Schreibfehler.
Von Tolkien selber gibt es nur eine
Übesetzung in Prosaform. Die nachfolgende Übersetzung
orientiert sich so weit wie möglich an der Zeilenstruktur
des Originals:
Der Vater erschuf
die Welt für Elben und Sterbliche
und er gab sie in die Hände der Herren: Sie sind
im Westen.
Sie sind heilig, gesegnet und geliebt - außer
dem Dunklen:
Er ist gefallen. Melko hat die Erde verlassen: Es ist
gut.
Für die Elben erschufen Sie den Mond, doch für
die Menschen die rote Sonne:
welche schön sind. Allen gaben sie in Maßen
die Gaben
Ilúvatars. Die Welt ist schön, der Himmel,
die Meere,
die erde und alles was in ihnen ist. Lieblich ist Númenor.
Doch mein Herz ruhet hier nicht auf ewig,
denn hier ist Vergehen, und es wird ein Ende sein und
das Schwinden,
wenn alles gezählt ist, und zuletzt alles erfasst
wird,
aber es wird nicht genug sein, nicht genug.
Was wird der Vater, oh Vater, mir geben,
an jenem Tag jenseits des Endes, wenn meine Sonne vergeht?
Galadriels Klagelied
Namárië
Ai! laurië
lantar lassi súrinen
yéni únótimë ve rámar
aldaron!
Yéni ve lintë yuldar avánier
mi oromardi lissë-miruvóreva
Andúnë pella, Vardo tellumar
nu luini yassen tintilar i eleni
ómarya airetári-lírinen.
Sí man i yulma nin enquantuva?
An sí Tintallë Varda Oiolossëo
ve fanyar máryat Elentári ortanë
ar ilyë tier undulávë lumbulë
ar sindanóriello caita mornië
i falmalinnar imbë met,
ar hísië untúpa Calaciryo míri
oialë.
Sí vanwa ná, Rómello vanwa, Valimar!
Namárië! Nai hiruvalyë Valimar!
Nai elyë hiruva! Namárië!
Dieses Lied [HdR1/II, Kap.8] ist der längste Quenyatext
im Herrn der Ringe. Es ist auch unter dem Namen "Galadriels
Klage" bekannt. Diese Bezeichnung bezieht sich
aber auf die Überschrift dieses Liedes aus Tolkiens
Liederzyklus "The Road Goes Ever On": Altariello
nainie Lóriendesse, i.e. "Galadriels Klage
in Lórien". Die Übersetzung dieses
Liedes erfolgt im HdR gleich im Anschluß.
Ah! Wie Gold
fallen die Blätter im Wind,
lange Jahre zeitlos wie die Schingen der Bäume!
Die langen Jahre sind vergangen
Wie rasche Schlucke des süßen Mets
In den hohen Hallen jenseits des Westens
Unter den blauen Gewölben Vardas,
worin die Sterne zittern
beim Gesang ihrer Stimme, heilig und königlich.
Wer nun soll den Becher für mich füllen?
Denn nun hat die Entzünderin, Varda,
die Königin der Sterne vom Berg Immerweiß
ihre Hände wie Wolken gehoben,
und alle Pfade sind tief im Schatten versunken.
Und aus einem grauen Lande kommend,
liegt Dunkelheit auf den schäumenden Wogen zwischen
uns,
und Nebel deckt die Edelsteine von calacirya auf immerdar.
Verloren nun, verloren für jene aus dem Osten ist
Valimar!
Lebewohl! Vielleicht wirst Du Valimar finden.
Ja, vielleicht wirst Du es finden. Lebewohl!
Im Herrn der Ringe sind die Anmerkungen und Erläuterungen
zu diesem Lied relativ dürftig. Mit der anschließenden
Bemerkung, dass dieses Lied von Ereignissen handle,
die "in Mittelerde wenig bekannt" seien, deutet
Tolkien nur an, dass die Bedeutung über den Herrn
der Ringe hinaus reicht. Galadriel bezieht sich hier
nämlich auf Ereignisse, die erst Jahre nach dem
Herrn der Ringe mit dem Silmarillion veröffentlicht
wurden:
Zwar war Galadriel nicht direkt
an Fëanors Rebellion gegen die Valar und dem Sippenmord
in Alqualonde beteiligt, aber sie war unter den Noldor,
die gegen den Willen der Valar nach Mittelerde gingen.
Und damit fiel auch sie unter den Fluch Mandos' und
die Verbannung aus Valinor. Die Valar hatten zwar diesen
Bann nach dem Krieg des Zorns am Ende des Ersten Zeitalters
weitgehend aufgehoben, doch für die Mitglieder
der Hohen Häuser der Noldor galt er unverändert.
Am Ende des Dritten Zeitalters lebte
aus dem Hause Fingolfins nur noch der in Mittelerde
geborene Elrond, für den der Bann bedeutungslos
war. Und von den Nachkommen Finarfins lebte nur noch
Galadriel, und sie war von diesem Bann betroffen. Obwohl
sie einiges von dem erreicht hatte, was sie einst nach
Mittelerde geführt hatte, war ihr klar, dass mit
der Vernichtung des Einen Rings auch die Macht der Elbenringe
gebrochen würde. Dann würde auch ihr Reich
Lothlórien vergehen -und sie mit ihm, da ihr
der Weg in den Westen ja verboten war.
In dem Lied beklagt Galadriel ihre
Verbannung in eine graue Welt und dass Valinor und seine
Schönheit für sie immer nur eine Erinnerung
bleiben würde. Das Lied endet damit, dass sie für
Frodo hofft, dass zumindest er einen Weg nach Valinor
finden möge um dort Heilung zu finden.
Dieser Wunsch geht in Erfüllung,
und auch Galadriel darf letzlich in den Westen zurückkehren.
Ob die Valar damit ihren unbeirrbaren Kampf gegen Sauron
würdigen oder die Tatsache, dass sie der Versuchung
des Einen Rings widerstand, als sie ihn hätte haben
können, bleibt allerdings Spekulation.
Hymne an Elbereth
Bei dieser Hymne handelt es sich
um den längsten Sindarintext im Herrn der Ringe.
In einem seiner Briefe bezeichnete Tolkien es als das
"Fragment einer Hymne" und suggeriert damit,
dass der hier vorliegende Text nur eine Strophe von
vielen ist. Der Text erscheint im Herrn der Ringe in
drei Szenen in unterschiedlichen Fassungen:
I. [HdR1/II, Kap.1] Am Vorabend
von Elronds Rat wird er von den Elben in Bruchtal in
der Halle des Feuers gesungen:
A Elbereth Gilthoniel
silivren penna míriel
o menel aglar elenath!
Na-chaered palan-díriel
o galadhremmin ennorath,
Fanuilos, le linnathon
nef aear, sí nef aearon!
II. [HdR2/IV, Kap.10] Sams "beseelter" Ausruf
in Cirith Ungol, als er gegen Kankra antritt. "Beseelt"
deshalb, weil er des Sindarin im Gegensatz zu Frodo
nicht mächtig ist.
A Elbereth Gilthoniel
o menel palan-díriel,
le nallon sí di'nguruthos!
A tiro nin, Fanuilos!
III. [HdR3/VI, Kap.9] Als Frodo und Sam sich gemeinsam
auf den Weg machen, wie Sam glaubt nach Bruchtal, tatsächlich
aber zu den Grauen Anfurten. Noch vor dem Zusammentreffen
mit den anderen Ringträgern (Galadriel, Elrond,
Gandalf, Bilbo) vernehmen die beiden den Gesang der
Elben.
A Elbereth Gilthoniel,
silivren penna míriel
o menel aglar elenath
Gilthoniel, A! Elbereth
Alle drei Passagen bleiben im Herrn der Ringe selber
ohne Übersetzung. Erst in Tolkiens Liederzyklus
"The Road Goes Ever On" wird der eigentliche
Titel "Aerlinn in Edhil o Imladris", i.e.
"Hymne der Elben von Imladris", zusammen mit
einer Übersetzung angegeben:
Oh Elbereth
Sternenentfacherin,
weiß-funkelnd wie Juwelen senkt sich
der Glanz der Sterne vom Himmel!
In weite Ferne
habe ich geschaut
von den baumbestandenen Landen Mittelerdes,
zu Euch, Fanuilos, will ich singen
diesseits der See, hier diesseits des Meeres!
Eine Übersetzung für Sams
Ausruf gibt es in zwei Fassungen, eine recht freie Version
in "The Road Goes Ever On" und eine wortgetreue
im Brief # 211:
Oh Elbereth
Sternenentfacherin
Die Du vom Himmel in die Ferne schaust,
zu Euch rufe ich nun im Schatten des Todes!
Oh schaue zu mir, Fanuilos!
Die dritte Passage ist lediglich
eine Wiederholung der drei ersten Zeilen aus dem Kapitel1
des zweiten Buches.
Die Bedeutung der Hymne für
den Herrn der Ringe geht von zwei Aspekten aus. Zum
einen ist sie in Sindarin verfasst und bleibt unübersetzt.
Damit wird der Phantasie der Leser bezüglich der
Bedeutung völlige Freiheit gelassen.
Zum anderen steht die Hymne am Anfang und am Ende von
Frodos Aufgabe als Ringträger in Mittelerde. Sie
fungiert somit als Bindeglied, das den Kreis der Geschichte
schließt.
Lúthiens Lied
Dieses Gedicht stammt aus der "späten"
Fassung des Leithian-Liedes und wurde in Band 3 der
History of Middle-Earth "The Lays of Beleriand"
veröffentlicht. Das Leithian-Lied ist die Versform
der Geschichte von Beren und Lúthien. Von diesem
Gedicht heißt es im Leithian-Lied, dass Lúthien
es einst von den Nachtigallen erlernte. Sie singt es,
als Beren sie das erste Mal erblickt.
Ir ithil ammen
Eruchín
menel-vîr síla díriel
si loth a galadh lasto dîn
ar Hîr Annûn Gilthoniel
le linnon im Tinúviel!
Zu diesem Gedicht gibt es von Tolkien
keine authorisierte Übersetzung. Die nachfolgende
Übertragung stellt also nur einen Versuch dar,
der sicherlich diskutiert werden kann:
Wenn der Mond
auf uns, die Kinder Erus, schaut,
weißstrahlender Juwel des Himmels,
lauschen hier Blume und Baum schweigend
Oh Herrin des Westens Sternenentfacherin,
zu Euch sing ich, Tinúviel.
Bemerkenswert ist, dass sich
Lúthien in dieser Version den Beinamen Tinúviel
"Nachtigall" selber gibt. Das steht im Gegensatz
zu der im Silmarillion veröffentlichten Prosafassung
der Geschichte von Beren und Lúthien, in der
zum einen das Gedicht fehlt und es zum anderen Beren
ist, der Lúthien diesen Beinamen gibt.
Markirya
Dieses Gedicht ist der längste
bisher veröffentlichte Text in ausgreiftem Quenya.
Es entstammt einem Vortrag Tolkiens über sein "Heimliches
Laster", die Entwicklung neuer Sprachen, und ist
somit von hohem Interesse für die Geschichte seiner
erfundenen Sprachen.
Der Vortrag wurde vermutlich 1931
vor einem philologisch vorgebildetem Publikum gehalten
und damit 6 Jahre vor dem Hobbit und fast ein Vierteljahrhundert
vor dem Herrn der Ringe.
Men cenuva fánë
cirya
métima hrestallo círa,
i fairi nécë
ringa súmaryassë
ve maiwi yaimië?
Man tiruva fána
cirya
wilwarin wilwa,
ëar-celumessen
rámainen elvië
ëar falastala,
winga hlápula
rámar sisílala,
cálë fifírula?
Man hlaruva rávëa
súrë
ve tauri lillassië,
ninqui carcar yarra
isilmë ilcalassë,
isilmë pícalassë,
isilmë lantalassë
ve loicolícuma;
raumo nurrua,
undumë rúma?
Man cenuva lumbor
ahosta
Menel acúna
ruxal' ambonnar,
ëar amortala,
undumë hácala,
enwina lúmë
elenillor pella
talta-taltala
atalantië mindonnar?
Man tiruva rácina
cirya
ondolissë mornë
nu fanyarë rúcina,
anar púrëa tihta
axor ilcalannar
métim' auressë?
Man cenuva métim' andúnë?
Hier eine deutsche Übersetzung,
allerdings nicht in Versform, sondern rein am Wortlaut
orientiert:
Wer wird es sehen,
ein weißes Schiff,
wie es vom letzten Ufer ablegt,
die bleichen Phantome
in der kalten Brust
klagend wie Möwen?
Wer wird es beachten,
erin weißes Schiff,
verschwommen wie ein Schmetterling,
im flutenden Meer
wie auf Schwingen wie Sterne,
wenn das Meer schwillt,
die Gischt weht,
die Schwingen glänzen,
das Licht verblasst?
Wer wird den
Wind tosen hören,
wie Laub der Wälder,
fauchen hören die weißen Felsen
im schimmernden Mondlicht,
im schwindenden Mondlicht,
im fallenden Mondlicht,
ein Totenlicht;
murmeln hören den Sturm,
den Abgrund sich regen?
Wer wird die
sich sammelnden Wolken sehen,
die sich krümmenden Himmel
über bröckelnden Bergen,
das Meer sich türmen,
den Abgrund gähnen,
das alte Dunkel
von jenseits der Sterne
stürzt herab
auf gefallene Türme?
Wer wird es beachten,
ein gebrochenes Schiff
auf den schwarzen Felsen
unter zerbrochenem Himmel,
eine gebleichte Sonne blinken
auf schimmernden Knochen
am letzten Morgen?
Wer wird den
letzten Abend sehen?
Das Gedicht liegt in insgesamt drei
Versionen vor, die erste von ca. 1931 und die letzte
aus dem letzten Lebensjahrzent des Professors.
Die erste Fassung entstammt einer
Zeit, als Tolkien noch mit den Strukturen des Qenya
(wie es damals noch geschrieben wurde) experimentierte
und die grammatikalischen Endungen nahezu wöchentlich
änderte. Diese Version trägt den Titel: Oilima
Markirya, "Die Letzte Arche". Die dritte und
letzte bekannte Fassung (s.o.) trägt keinen Titel
mehr und ist genau genommen eine Übersetzung der
ersten Version in ausgereiftes Quenya.
Anzumerken ist noch, dass
das Wort "Men" (= wer) im ersten Vers scheinbar
eine Fehlinterpreatation von "man" ist. "Man"
findet sich nicht nur alleine fünf mal in diesem
Gedicht, sondern auch in "Namarië", Galadriels
Klage in Lórien. Es ist schon seltsam, dass ein
Mann wie Tolkien, der in der Lage war in wunderschönen
Kalligraphien zu schreiben, im Alltag eine teilweise
unleserliche Handschrift hatte.
[Alle
hier aufgeführten Ausführungen der Gedichte
unterliegen dem Copyright von Arwen
Rhiwiel]
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